Das Bedürfnis nach Ausgewogenheit
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Das Buch präsentiert eine ethnologische Studie über die moralische Erziehung adoleszenter sunnitischer Muslime in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Die Studie ist im Spannungsfeld zwischen sowjetischer Vergangenheit, Postsozialismus und Moderne verortet und integriert erziehungswissenschaftliche Ansätze. Im Mittelpunkt stehen Prozesse moralischer Erziehung, wie sie in muslimischen Familien, staatlichen Mittelschulen und im Rahmen religiöser Kurse, die in privaten Räumlichkeiten oder der Nachbarschaftsmoschee stattfinden, erfolgen. Diese Prozesse zeigen, dass Moralerziehung im städtischen Tadschikistan eng verzahnt ist mit der islamischen Religion. Auf der einen Seite ist die wichtige Rolle, die dem Islam bei der Erziehung heranreifender Jugendlicher zufällt, Ausdruck eines neu erwachten religiösen Bewusstseins. Auf der anderen Seite lassen die Erziehungsvorstellungen und -praktiken ein muslimisches Selbstverständnis erkennen, das sich als Vermächtnis sowjetischen Alltagslebens insbesondere im Denken und Handeln der Elterngeneration Raum bricht. Die gegenwärtige Popularität privater religiöser Kurse in ihrer Funktion als Erziehungs- bzw. Disziplinierungsmethode und alternative Freizeitgestaltung für junge städtische Muslime bezeugt die Entsäkularisierung öffentlicher Güter wie Erziehung. Gleichzeitig aber wird der Islam als moralische Ressource in die weltlichen Koordinaten des tadschikischen Nationalstaates eingepasst und findet als säkularisierte Religion Eingang in die Lehrpläne staatlichen Ethikunterrichtes.